08.08.2009

dicke zeit

eine kleine sommererzählung ... (II)
(aus "dicke zeit" by gh)


Hanna erhebt sich, schlüpft in die Lederpantoffeln und läuft zum Fenster. Sie schiebt die in einem dunklen Rotton gefärbten Leinenvorhänge beiseite. Mit sommerlicher Kraft legt sich die Wärme des frühen Tages auf ihre Haut.

Sie öffnete die Fensterflügel und beugt sich weit hinaus.
Tannen, Fichten und Beerensträuchern wachsen auf hügeligem Gelände. Ein sandiger Weg bahnt sich am Häuschen vorbei und führt ins nahe gelegene Dorf.

Sie verlässt das kleine Schlafzimmer und geht ins Bad.
Blaue Fliesen mit Möwenmuster. Handtücher mit blassblauen Muschelbordüren.
Regale aus hellem Holz. Badeutensilien. Ein weißer Korbstuhl, ein blaues Kissen. Eine Wanne, in die heißes Wasser fließt.

Während anderes Wasser durch die Maschine brodelt und sich Kaffeeduft im Haus verbreitet, deckt Hanna auf der Veranda den Tisch. Auf dunklem Robinienholz hebt sich weißes Porzellan kontrastreich ab. Ein Transistorradio, ein Glas Orangensaft und eine gestrige Tageszeitung vervollständigen das Stillleben.

Hanna holt die Glaskanne mit Kaffee, schenkt sich ein, nimmt Milch in ihren Kaffee.
Wohlig plumpst sie in den Armlehnstuhl und legt die Füße hoch auf den, der ihr gegenüber steht. Das Nachthemd rutscht über die Knie und gibt dicke Beine mit blauen Adern und braunen Flecken frei.
Schamhaft zieht sie den Stoff des Hemdes über die nackte Haut.
Die Zeit gräbt Zeichen in den Körper.

Hanna isst.
Würziger Käse und weiche Butter dringen zwischen ihre Zähne, schmiegen sich in die Mundhöhle, hinterlassen einen fettigen Geschmack.
Sie müsste Diät halten. Sie hat zu viele Pfunde auf dem Leib. Mit einem Schluck Kaffee spült sie die Fettigkeit und die störenden Gedanken aus ihrem Kopf - in den Magen und in die glasklare Luft.
Im Moment will sie nur genießen, es sich gut gehen lassen – nach all dem, was sie erlebt hat.
(forsetzung folgt)